Zukunft bedarf der Herkunft und der Erinnerung
Mit dem Verein „Freiberger Zeitzeugnis e.V.“ bieten wir allen jenen eine Plattform, die helfen wollen, die nach wie vor großen „weißen
Flecke“
der Regionalgeschichtsschreibung besonders über die Zeit des Nationalsozialismus, aber auch zum Umgang damit in der Nachkriegsgeschichte der DDR abzutragen. Der Verein gibt denen eine Basis,
die gegen Verklärung und Legendenbildung in der örtlichen Geschichtsaufarbeitung sind, weil sie für eine offene, demokratische Zivilgesellschaft eintreten, in der "völkische Überheblichkeit",
Verleumdung von Minderheiten, Hass gegen Fremde und Geringschätzung der Würde jedes Menschen keinen Platz haben.
Es geht um unsere Gegenwart in Demokratie, Freiheit, Vielfalt und Menschlichkeit. Und es geht um unsere Zukunft, in der die Würde jedes Menschen auch weiterhin unantastbar bleibt, unabhängig von Nationalität, Herkunft, Geschlecht, Religion und Orientierung.
Bewahrung
Regionale Geschichte erforschen
Spuren suchen
Wissen weitergeben
Begegnung
Von Zeitzeugen lernen
Sichtweisen verändern
Haltungen fördern
Projektarbeit
Schüler- und Bürgerprojekte
Vorträge und Stadtrundgänge
Publikationen und Ausstellungen
27. Januar 2021
Internationaler Holocaust-Gedenktag
Am 27. Januar wird weltweit der Opfer des Holocaust gedacht. Auch in und um Freiberg gab es zahlreiche Menschen, die vom NS-Regime verfolgt, ausgebeutet und ermordet worden sind. Wir erinnern an sie. Hierzu gehören die rund 1000 jüdischen Frauen, die im Freiberger KZ-Außenlager erniedrigt wurden, die Juden der Stadt, deren Existenzgrundlage aus im Rassismus begründeten Hass entzogen wurde, sowie alle Andersdenkenden, die durch das NS-Regime ausgegrenzt, vertrieben und getötet worden sind. Der 27. Januar ist ein Tag der Mahnung, aber auch der Hoffnung, dass solche Schrecken nie wieder Platz finden werden in einer demokratischen Gesellschaft voller Toleranz, Mitgefühl und einem respektvollen Miteinander.
November 2020
In Gedenken an unseren Ehrenvorsitzenden
Unser Verein trauert um seinen Ehrenvorsitzenden Dr. Michael Düsing.
Am 21. November ist unser Ehrenvorsitzender, guter Freund, unerschöpflicher Wissensträger und treibende Kraft im Verein, Dr. Michael Düsing, im Alter von 73 Jahren verstorben. Er hinterlässt eine
Lücke, die nicht zu schließen ist.
Viele Jahrzehnte forschte Michael an der Geschichte des jüdischen Lebens in Freiberg. Besonders die schrecklichen Ereignisse während der Zeit des Nationalsozialismus und das Leid der gefangenen
jüdischen Frauen des KZ-Außenlagers Flossenbürg in Freiberg ließen ihn nicht los. In seinem umfangreichen Netzwerk hielt er Kontakt zu Überlebenden und deren Kindern weltweit. Besonders wichtig
war ihm dabei, die Erinnerung an die Freiberger Juden und die Opfer des Holocaust wachzuhalten. Sein Credo war und ist auch das Leitbild unseres Vereins: "Zukunft bedarf der Herkunft
und der Erinnerung".
Schon als Leiter des CJD Freiberg und später im Rahmen der „Geschichtswerkstatt Freiberg" vermittelte er in verschiedenen Trägerschaften unzähligen jungen Menschen regionale Geschichte, oftmals auch durch gemeinsame aktive Aufarbeitung. Ob die Gedenktafeln am Gebäude des Landratsamtes, die Gedenkwand im Foyer des Berufsschulzentrums „Julius Weisbach“, die Gedenktafel im AWG (ehemals Schockenkaufhaus) oder die zahlreichen Freiberger Stolpersteine – Michael war der Initiator.
Er verstand es, Menschen für Geschichte zu begeistern und zum Nachdenken anzuregen. Er erforschte die Namen und Gesichter der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus und versuchte unermüdlich,
Ihnen Ihre Würde wiederzugeben.
Für seine umfassenden Arbeiten wurde Michael mehrfach ausgezeichnet.
2003 erhielt er den Andreas-Möller-Geschichtspreis der Stiftung für Kunst und Kultur der Kreissparkasse Freiberg und des Freiberger Altertumsvereins.
2010 wurde Michael mit einer Ehrenurkunde des Sächsischen Landespreises für Heimatforschung geehrt und 2014 mit dem 1. Preis.
2014 ehrte die Stadt Freiberg Michael für seine Arbeit mit dem Bürgerpreis der Stadt. Die Laudatio hielt Oberbürgermeister Erwin Schramm. „Erinnern ist der Schlüssel zum Verständnis der Gegenwart“, sagte er am Ende seiner Rede. Michael kämpfte unermüdlich und oftmals auch gegen Widerstände für Aufrichtigkeit und eine würdevolle Erinnerungskultur der Stadt Freiberg.
Mit dem Kunstprojekt „We are still here“ 2015 wurde die Grundlage für den heutigen Freiberger Zeitzeugnis e.V. gelegt. Spätestens bei dieser internationalen Ausstellung, den dazugehörigen
Konzerten und Veranstaltungen wurde klar, welchen großen Beitrag Michael für Freiberg geleistet hatte; für Völkerverständigung und tiefe Freundschaften zu den Menschen, in deren Schuld die
Bergstadt stand. Michael wusste Menschen zusammenzubringen. Die Vereinsgründung 2017 sollte sein Lebenswerk in eine Form gießen, die es erhält und auch fortführen kann. Folgerichtig
wurde er 2018 Ehrenvorsitzender des Vereins. Michael war trotz gesundheitlicher Probleme bis zuletzt treibende Kraft und Inhaltgeber. Er verwendete seine Energie darauf, sein Wissen und seine
Begeisterung für diese jüngste Geschichte weiterzugeben, besonders der jungen Generation. Es war ihm wichtig, zu zeigen, dass es nicht nur einzelne "Täter" gab, sondern dass ein Großteil der
Bevölkerung beteiligt war, auch indem viele Bürger "nichts" taten. Er wollte die Verantwortung, die er selbst trug, auf breitere Schultern verteilen. „Mehr Verein und weniger Düsing“ war dann
sein Anspruch. Und dennoch stehen wir im Hinblick auf seinen Wissensschatz fassungslos vor unserer künftigen Aufgabe.
Michael war insbesondere auch Freund. Mit ihm konnte man alle Facetten einer Freundschaft erleben. Er war Ratgeber, Vorbild und Kumpel. Wenn wir uns uneins waren, dann schlief er Nächte nicht,
denn sein Wesen war voller Liebe für die Sache und die Menschen, die sie mit ihm verwirklichten. Er war herzlich, authentisch und uneingeschränkt aufrichtig in seiner Haltung.
Für das kommende Jahr, das unter der großen Überschrift „Schalom 2021“ steht, sammelte Michael noch einmal seine ganze Kraft. Er wollte ein letztes großes Projekt umsetzen, ein Jahresprojekt mit vielen Aktivitäten und Veranstaltungen im Rahmen des bundesweiten Festjahres "1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland". Dafür knüpfte er neue Kontakte, organisierte, brachte Ideen ein, bereitete eine Ausstellung vor und war voller Begeisterung in seinem Element. Es war ihm das Wichtigste, dass alles organisiert ist und dass es auch ohne ihn nach seinen Vorstellungen ablaufen kann, ohne anderen dafür die Verantwortung aufzubürden.
Lieber Michael,
wir versprechen Dir, wir nehmen die Herausforderung an. Dass nun alles so schnell ging, trifft uns sehr, auch dass wir uns nicht noch einmal sehen und persönlich voneinander verabschieden konnten. Wen können wir jetzt fragen? Wir vermissen Dich. Du bleibst bei uns, egal wo Du nun bist.